Foto : Copyright Christian Beier ( Solinger Tageblatt)
Die Wände in den Gängen des ersten und zweiten Stockwerkes des Solinger Arbeitsgerichts an der Wupperstraße sind bis 6. Juli mit 30 großformatigen Fotografien mit dem Thema „Ästhetik des
Verfalls“ geschmückt. Der Fotograf Jürgen Post begann nach seinem Ruhestand – er hatte in Hamm 35 Jahre als Bergmechaniker- und -steiger unter Tage gearbeitet – den Verfall der stillgelegten
Zechen zu dokumentieren. Als er erfuhr, dass es im Hintergebäude des Solinger Arbeitsgerichts eine alte Jugendhaftanstalt gibt, die seit mehr als 20 Jahren unverändert geblieben ist, war er Feuer
und Flamme, die verfallenen Räumlichkeiten ebenfalls abzulichten und sie der Öffentlichkeit zu zeigen. Bei der Ausstellungseröffnung am Freitag war Dr. Anno Hamacher, als Direktor des
Arbeitsgerichts auch Hausherr in dem klassizistischen historischen Gebäude - der 1857 gebauten ehemaligen Villa Jagenberg - vom Ergebnis begeistert: „Die Ausstellung war nur machbar, weil der
Solinger Anwaltsverein als Mitveranstalter eingestiegen ist und auch der Solinger Kunstverein Interesse gezeigt hat, Räume für weitere Ausstellungen zu erhalten.“
Anwalt Michael Finke und Kunstvereins-Vorsitzende Christa Berger waren beim Rundgang ebenfalls von den „ästhetisch“ bearbeiteten Verfallsbildern beeindruckt. Fotograf Jürgen Post stand in der
ehemaligen Haftanstalt vor dem Problem, dass es keine Beleuchtung mehr gab: „Ich musste die Räume mit einer Stablampe erhellen.“ Das Experiment gelang, sowohl Gänge als auch die Zellen
präsentierten sich eindrucksvoll mit zutreffenden Titeln: „Hinter Gittern“, „Ein stiller Ort“, oder „Einzelhaft mit Toilette.“ Auch die unvermeidlichen Kritzeleien sah man. Über einer roten Tür
war der Schriftzug gemalt: „Ich will frei sein.“ Post präsentierte seine Fotografien bereits zweimal im NRW-Landtag, im Schloss Oranienburg und verschiedenen Justizgebäuden, jetzt auch in
Solingen. Wolfgang Mamok, Geschäftsleiter im Landesarbeitsgericht Düsseldorf, hatte den Künstler an die Klingenstadt vermittelt: „Ich meine, Justiz und Kultur, das geht gut.“
Den Fotografen hatte die Zeitreise in die Vergangenheit motiviert, sein persönliches Umfeld für die Nachwelt zu konservieren. So gab es neben den Solinger Bildern auch Aufnahmen vom Niedergang
des Bergbaus, faszinierende Impressionen vom Landschaftspark Duisburg mit nächtlichem Farbenspiel, Hochofen und Kühlgebläse, aber auch Impressionen aus der Bretagne.
Ausstellung „Ästhetik des Verfalls“, bis 6. Juli. Arbeitsgericht
Solingen, Wupperstraße 32. Geöffnet montags bis donnerstags 8 bis 16 Uhr, freitags 8 bis 15.30 Uhr.
Von Karl-Rainer
Broch
Link: Solinger Tageblatt